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Paul Wühr ‚Der wirre Zopf‘

Im Passauer Pegasus. Zeitschrift für Literatur. Heft 50 (2015), S. 77 – 90 ist ein Auszug aus Paul Wührs umfangreichem Prosa-Projekt Der wirre Zopf mit einer Vorbemerkung von Volker Hoffmann erschienen.
Beziehen können Sie das Heft zum Preis von 12.- Euro bei Karl Krieg, Wörthstr. 8, D-94032 Passau. Email: passauer.pegasus@gmx.de

Paul Wühr: [Poesie und Technik]. Auszug aus dem Tagebuchprojekt Der wirre Zopf.

LE PIERLE: 20. Febbraio 1990, Martedi
PAW 

Wäre Poesie von dieser Welt, dann stürbe sie in jeder Generation. Dann hat Gutenberg in Mainz damals ihren Totenschein gedruckt in Metallbuchstaben. Das glaubt, wer sie in Zusammenhang bringt mit wechselnden Techniken ihrer Konkretion. Die Leute sollten sich nicht derart aufpausen. Wenn Neues Altes vernichtet, war dieses Alte keine Poesie. Diese stirbt mit keiner neuen Erfindung. Erfindungen sterben. Was bleibt, ist Poesie, in welcher Erfindung auch immer sie auftritt, diese bleibt mit ihr am Leben. In diesem amüsiert sich die Poesie ganz besonders mit ihren Todesanzeigen. Andererseits macht es ihr auch Spaß, wenn Technik sie verwertet, und sie hat nichts dagegen, wenn ein Heroe ein elektrisches Format bekommt, das ihn jedem Gartenzwerg gleichstellt. Im Hightech bleiben Gartenzwerge unter sich. Es verhält sich doch so: Die Poesie bekommt es niemals mit der Technik zu tun, aber diese mit ihr. Sie wälzt sich nicht um. Sie selber ist Revolution. Sie ordnet aber diese nicht an. Und niemand und nichts, auch keine Ordnung. Das macht sie wenig beliebt. Sie sorgt sich aber gar nicht um die Liebe. Und was ihre Liebhaber angeht, da lobe ich aus der Theologie den Begriff heim in die Poesie, der hier gilt: Auserwählung. Der Augustinus muß hergeben, was er einmal gestohlen, damit sich die große Menge in geziemendem Abstand hält, wenn Poesie ihre Auftritte hat. Sie selber hat keine ungeziemende Sehnsucht nach weiteren Liebhabern. Ihr genügt, was prädestiniert ist. Sie ist keine Heimat. In sie kehrt man auch nicht zurück. Dort ist man schon immer gewesen oder wird niemals dort sein.

Erstveröffentlichung unter www.paul-wuehr.de, 2000

Paul Wühr Jahrbuch 1999

Inhalt

Unveröffentlichte Texte

GEGENMÜNCHEN 9

«Der wirre Zopf » (Auszug) 17

«Die Rechnung» (1964) Hörspiel 31

Brief August Everdings (1965) 70

«Denkspiele»(1965) 71

Gespräch mit Klaus Schöning (1964) 78
Über das Hörspiel

Paul Vormweg

Verlust der Identität (1968)

Essay zu «Wer kann mir sagen, wer Sheila ist?» 91

Jürgen Nelles

Die Wahrheit der Worte

Über Paul Wührs Hörspiel «Die Rechnung» 97
Fotogalerie 115

Annäherung
Bernhard Setzwein

Annäherung an Paul Wühr 125

Kolloquium 141

Mitglieder 142